6. Februar bis 7. März 2009

Ralf Dereich: Oilcooking

 

 

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In einem Gespräch mit dem französischen Schriftsteller Charles Juliet sagt Samuel Beckett 1977:


„Verneinung ist ebenso wenig möglich wie Bejahung. Es ist absurd zu sagen, etwas sei absurd. Dies ist

doch wieder ein Werturteil. Es ist ebenso wenig möglich zu protestieren, wie einzuwilligen.


Man muss in einem Bereich arbeiten, in dem es keine möglichen Fürwörter oder Lösungen gibt, oder

Reaktionen oder Standpunkte – das macht es so teuflisch schwierig.“


Samuel Beckett war inspiriert von den Arbeiten seines Freundes, des niederländischen Malers Bram van

Velde, den auch Ralf Dereich im Gespräch über seine Arbeit als Bezugspunkt nennt. Jedoch steht Dereichs

Arbeit dem, was Beckett in seinem Zitat ausdrückt, weitaus näher als dem Amerikanischen Expressionismus,

der ebenfalls stark von Van Veldes Arbeit beeinflusst war und von dem Dereich sich klar distanziert.


Zunächst lassen sich viele Gemeinsamkeiten zur Kunst der 50er und 60er Jahre in Dereichs Arbeiten

erkennen: Seine abstrakte Ölmalerei erstreckt sich verwischt und ohne definierte Umrissgrenzen in

All-Over-Manier über die Leinwand und die Bildarchitektur, die sich aus einfachen Elementen zusammen-

setzt, lenkt das Augenmerk auf Materialität und Ausdruck von Farbe und Linie. Die Konzeptualität eines

Pollock oder die Spiritualität eines Mark Rothko lehnt Dereich jedoch ab. Wie es im Zitat Becketts anklingt,

geht es ihm nicht um eine anhaftende, sei es zitierende oder konfrontative Auseinandersetzung mit der

äußeren Welt; allein die Ausdrucksfähigkeit der puren Malerei, der Glaube an das Malen an sich, steht im

Mittelpunkt und dies scheint vor allen Dingen mit Blick auf die Arbeit seiner Zeitgenossen bemerkenswert:

Dereich schafft mit seiner im Künstlerindividuum zentrieren l’art pour l’art den Sprung aus der Tretmühle

der postmodernen Kunstauffassung.

 

Den Akt des künstlerischen Schaffens vergleicht Dereich mit dem Spielen von Musik, speziell bezieht er sich

auf den Jazz eines Miles Davis, dem jegliche Kategorisierung und Eingrenzung fern lag. Davis sah in der

spontanen Musik des Augenblicks die Quintessenz des Jazz. Wie dieser folgt auch Dereich nicht einem

Konzept von Kunst sondern zuerst seinem eigenem.

 

Das zentrale Moment der Bindung des Werks an den Augenblick seiner Erschaffung spiegelt sich u.a. in

Dereichs hoher Produktivität wieder und zeigt sich ganz materiell in den von ihm üblicherweise noch feucht

gezeigten Leinwänden. Auch die Arbeiten die Dereich in „Oilcooking“ zeigt, sind brandneu und allesamt

2009 entstanden.

 

Sie alle verbindet der erste Akt der Ausführung einer durchgehenden, sich über die Leinwand schlängelnden

Linie, die bis zum Abschluss das bestimmende Element jeder dieser Arbeit ist. Dereich zielt darauf ab, das

Bild von Beginn an im Griff zu haben. Auffallend ist die cremige Substanz des Materials und dieser Eindruck

wird durch die pastelligen Farben unterstrichen. Neben einigen dunklen Arbeiten in abgetöntem Schwarzblau

und Grau herrschen weiß, hellblau, dunkelrot und lachsfarben vor. In „Cream“, 2009, einem kleineren

Format in weiß und rot wird die Anlehnung an musikalische Verfahrensweisen besonders deutlich: Die

bestimmende rote Linie, die in Schleifen über die Leinwand gezogen ist, erscheint als zu Grunde liegende

lineare Struktur, die im weiteren Verlauf ausgeführten Übermalungen, Unterbrechungen und Verwischungen

derselben erscheinen als Modulationen der Stimme oder Melodie. Wie das kurze Aufmerken eines

Instruments wirken dagegen dezente Farbklekse, die teilweise verspritzt oder in dicke Nasen auslaufend,

die lineare Struktur unterbrechen und rhythmisch vervollständigen.

 

Dereich sagt, seine Malerei sei „Der Klang aus Auge und Geist als Parabel auf den Menschen in der Welt“.

 

 

 

english version


In conversation with the French writer Charles Juliet, Samuel Beckett said in 1977: “Negation is no more

possible than affirmation. It is absurd to say that something is absurd. That‘s still a value judgement. It

is impossible to protest, and equally impossible to assent. You have to work in an area where there are

no possible pronouns or solutions, or reactions, or standpoints - that‘s what makes it so diabolically

difficult.“


Samuel Beckett was inspired by the work of his friend, the Dutch painter Bram van Velde, who Ralf Dereich

also names as a reference point for his own work in interview. However Dereich’s work is situated much

closer to what Beckett expresses in his quote, than to American Abstract Expressionism, which was likewise

strongly influenced by van Velde’s work, and from which Dereich clearly distances himself.

 

On first glance there appears to be much common ground between the art of the ‘50s and ‘60s and

Dereich’s works: his abstract oil paintings extend blurrily and without defi ned outlines across the canvas

in an all-over manner. The pictorial architecture, which is composed from simple elements, directs attention

towards the materiality and expression of colour and line. Dereich, though, rejects the spirituality of a

Rothko or Pollock’s ways. As we hear in Beckett’s quote, for him it isn’t about an inherent clash with the

outside world, be it representational or confrontational. Only the expressive capability of pure painting,

the belief in painting itself is of central importance. This, above all, appears noteworthy when you take a

look at his contemporaries’ work: with his art-for-art’s-sake approach, centred around the individual artist,

Dereich creates a jumping-off point from the treadmill of the postmodern view of art.

 

Dereich compares the act of artistic creation with playing music, relating especially to Miles Davis’ jazz,

which lies far from any easy categorisation or pigeonholing. Davis saw in the spontaneous music of the

moment the quintessence of jazz. In the same way Dereich carves out his own approach rather than

adhering to existing concepts.


The central moment in the relationship of the work with the instant of its creation is reflected in Dereich’s

prolific output and is demonstrated materially in his canvases, which are usually displayed still wet. The

works shown by Dereich in “Oilcooking” are also all brand new, from 2009.


They all connect the first act of execution to a continuous meandering line over the canvas, which, right

up to their completion, is the defining element of all these works. Dereich aims at having the picture

in his grasp from the very beginning. The creamy texture of the paint is noticeable and this impression

is underlined through the pastel colours. Next to some darker works in toned down blue-blacks and greys,

white, light blue, dark red and salmon pink predominate. In “Cream”, 2009, a small format image in red

and white, the following of musical procedure becomes especially clear: the defining red line, which is

drawn in loops over the canvas, appears as a fundamental linear structure, which is then subject to further

overpainting, interruptions and blurring, all of which themselves appear as modulation of a vocal line or

melody. Like an instrument with a small line to play, discreet splashes of colour, sometimes sprayed or

sometimes in thick running drips, work as a counterpoint, interrupting the linear structure and completing

the rhythm.


Dereich says his work is “the sound of eye and mind as parable of the people in the world.”