September 10 until 30, 2016

Sibylla Dumke: animals

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Sibylla Dumke bahnt sich ihren Weg durch die Natur. Zunächst sind es Zweige, die sie am Boden aufliest und schwarz anmalt, so dass sie zu Linien werden wie auf einem abstrakten Bild. Bald kommen Pflanzen und Früchte hinzu, die sie im Raum platziert und die abstrakte Formen bilden. Und schließlich sammelt sie Fotografien und kombiniert sie zu Collagen. Sibylla Dumke arbeitet fast ausschließlich mit Fundstücken – und zwar solchen, die sie an Orten entdeckt, an denen sie sich auch selbst gerne aufhält: Im Wald, auf Flohmärkten, in Fotoalben. Ein alter Bildband erscheint ihr die natürlichere Quelle als Aufnahmen aus dem Internet. Sie sagt: „Mir geht es nicht um eine Illusionswelt sondern um das Authentische. Ein Stück, meist losgelöst von seinem ursprünglichen Kontext, spricht mich plötzlich an, dabei geht es um Körperlichkeit, Haptik und die Geschichte des einzelnen Objekts.“ Bei ihrer Suche nach Ursprünglichkeit zieht es sie immer wieder in neue Gegenden. Zurzeit lebt sie in einem alten Hof nahe Prenzlau an der polnischen Grenze. Ruhig sucht sie immer wieder die äußere Abgeschiedenheit, um ihren Entdeckungen mehr Raum zu geben. So stößt sie auf Dinge, die schon von sich aus etwas erzählen: Über das Leben, das ihnen innewohnt. Über sie selbst, die sie auswählt. Und über die Welt – unseren Planeten und seine Natur.

Ihre neuesten Fotocollagen, die sie mit räumlichen Assemblagen paart, gehen auf ein französisches Fotomagazin aus den 60er und 70er-Jahren zurück: In „La vie des bêtes“ werden Tiere in ruhigen oder eleganten Posen dargestellt, also in einer Weise, wie man sie eher bei Portraits von Menschen erwartet. Diese Vorstellung der Nähe zwischen Mensch und Tier, Natur und Zivilisation bildet den Kern von Sibylla Dumkes Arbeit. Wenn sie die Aufnahme von Fledermäusen mit der eines Surfers, einen Geparden mit einer eleganten Frau verschränkt, deutet sie auf Ähnlichkeiten in Körperhaltungen und Blicken, Formen und Bewegungen. Auf scheinbar beiläufige Weise zeigt sie uns, wie alles mit allem verbunden ist. Sibylla Dumke schreibt damit künstlerisch fort, was der Kulturwissenschaftler Aby Warburg (1866-1929) mit seinem Mnemosyne-Atlas aufdeckte – nämlich dass antike Formen ständig in späteren Bildern wiederzufinden sind. Auch seine Erkenntnis, dass etwa die Schlange als mythologisches Symbol ebenso bei den Indianern, wie bei den Griechen und auch in der Bibel auftaucht, ist Teil dieser Sichtweise. Sibylla Dumke setzt ihre Bildwelt nach einem ähnlich vergleichenden, aber weitaus intuitiveren Prinzip zusammen. Es entspringt einer Distanzierung von gewissen Erscheinungen der Zivilisation, weniger einer Kritik, denn Sibylla Dumke arbeitet mit eben diesen Techniken und Errungenschaften, die erst dem kultivierten Blick entspringen – es ist eine Zurückwendung, die klar im Jetzt verortet ist, wie die Reste aus „Zivilisationsmüll“ zeigen, die ebenso gleichwertig in ihre Werke einfließen wie die Überreste der Natur. Sibylla Dumke sucht nach Klarheit und Authentizität. In ihrer Essenz ist sie bei Mensch, Pflanze und Tier auf beinahe identische Weise zu finden. Diese Arbeit erzählt von Gleichberechtigung: Präsenz und Schönheit stehen allen zu.

Gesine Borcherdt

 

English version

 

Sibylla Dumke cleaves her way through nature. First, there are branches that she collects from the ground and colors with black ink so that they develop into lines, as in an abstract artwork. These are soon joined by plants and fruits; Dumke places them within space , where they set up abstract forms. And, finally, the artist collects photographs and combines them in collages. Sibylla Dumke almost solely works with found objects – indeed those that she finds in places where she herself prefers to spend time: in the woods, at a flea market, in a photo album. To her, an old picture book seems to be a more natural resource than images form the web. She says: “I am not interested in a world of illusions but in authenticity. A piece, mostly detracted from its original context, suddenly starts to talk to me. It has to do with physicality, haptics, and the history of an object.” In her quest for naturalness Dumke is constantly drawn to new regions. At the moment she lives on an old estate near Prenzlau, close to the German-Polish border. Again and again she seeks outer seclusion so she can give more space to her discoveries. This is how she comes across things that tell their own intrinsic stories: about the life within them, about she who collects them, and about the world – our planet and its nature.

Dumke’s newest photographic collages, which she is showing alongside spatial assemblages, draw on a French photographic magazine from the 60s and 70s: in “La vie des bêtes,” animals are depicted in smooth and elegant poses; that is, as one would expect of human portraits. This view of the proximity of man and animal, nature and civilization, is the essence of Sibylla Dumke’s work. Interlacing shots of a bat and a wind surfer, or a cheetah and an elegant woman, she points out the similarities in their postures and gazes, forms and movements. Seemingly en passant, the artist shows us how everything is bound up with  everything. In doing so, Dumke follows up artistically on what the cultural scientist Aby Warburg (1866-1929) revealed in his Mnemosyne Atlas – to wit that antique forms are constantly to be found and refound in later images. Another part of Warburg’s findings was to spot that the snake, for instance, crops up as a mythological symbol in the culture of the Native Americans, in antique Greek imagery, and in the Bible. Sibylla Dumke puts together  her imagery according to a similarly comparative, though far more intuitive, principal. It stems more from a certain alienation from certain appearances of the civilized world than a criticism of it, since Dumke works with the very technologies and achievements of the cultivated world. It is a regression clearly located in the here and now, as is shown by the pickings of leftovers from civilization, incorporated into her works just as the remnants of nature are. Sibylla Dumke searches for clarity and authenticity. In their essence, these can be found in human beings, plants and animals in practically identical forms. This work tells us about equality: presence and beauty are for everyone.

Gesine Borcherdt