January 26 to March 2, 2013

Bertold Stallmach: Der resignierte Beobachter

 

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Bertold Stallmach setzt sich in seiner Arbeit mit den Bedingungen des menschlichen Daseins in seiner materiellen und sozialen Dimension auseinander. In seiner Einzelausstellung bei Cruise & Callas zeigt der 1984 in Quthing, Lesotho, geborene Künstler unter anderem seine Skulptur „Warten auf den 9 Uhr Witz“, die den Mechanismen und Funktionen des menschlichen Körpers die Interaktion einer kollektiven Intelligenzform einverleibt.


Der Blick der großen, auf dem Boden ausgestreckt liegenden Figur ist nach vorne gerichtet, ihr Mund ist geöffnet. Auf den Gelenken und den lebenswichtigen Organen ihres Körpers befinden sich Vasen mit Kuben aus Plexiglas, die von Ameisen bevölkert sind. Losgelöst von den Vorgängen im Ameisenstaat beobachtet das geistige Zentrum der Figur seinen organischen Körper. Dem drohenden Verfall – die einzelnen Organe und Gelenke können entnommen und separat verkauft werden – begegnet sie, indem sie alle 20 Minuten einen Witz erzählt. Der Beziehung zwischen Geist und Körper der Figur stellt Stallmach die Prozesse und die Funktionsweise der kollektiven Intelligenz der Ameisen gegenüber.


Diese Parallelität nimmt der Künstler auch in seinem Animationsfilm „Hugo and the war fart“ wieder auf. Anhand der individualisierten Ameise Hugo schildert der Film die kollektiven Abläufe und Entscheidungen, die in einem Ameisenhaufen getroffen werden. Als einzelne Teile agieren die Ameisen mit eingeschränkter Unabhängigkeit und erfüllen ihre jeweiligen Aufgaben zielgerichtet, aber erst durch die Gesamtsumme ihrer Bewegungen ergibt sich ein funktionierendes Ganzes. Diesem organischen Prinzip setzt der Künstler das Zusammenspiel der Zellen im menschlichen Körper gegenüber. So lassen sich auch hier die Vorgänge und Entscheidungen auf materialistische Gesetzmäßigkeiten zurückführen. Die Antwort auf die Frage aber, welche Instanz letztlich die geistige Verantwortung trägt und welchen Stellenwert die immaterielle Idee besitzt, bleibt offen.


In dem Animationsfilms „Der Rattenkönig“ widmet sich Stallmach weniger den materiellen Mechanismen, im Fokus steht hier das soziale System, in das der Mensch eingebettet ist. Der Blick des Zuschauers folgt dem Unglück von sieben Knetfiguren. Fünf an den Schwänzen zusammengewachsene Ratten, ein Phänomen, das in der Biologie als „Rattenkönig“ bezeichnet wird, verkörpern als eine Art böses Omen die fünf Feinde der Protagonisten – Pech, Verzweiflung, widrige Umstände, Ohnmacht und die Respektlosigkeit der Mitmenschen. Sie heften sich an jene Filmfigur, die von dem meisten Unglück umgeben ist, und zwar solange, bis einem anderen mehr Unglück widerfährt. Nicht indem die Figuren ihre Situationen verbessern, sondern indem sie aktiv anderen mehr Schaden zufügen, befreien sie sich vom Rattenkönig.

 

 

 

In his work Bertold Stallmach confronts the conditions of human existence in its material and social dimensions. In his solo show at Cruise & Callas, the artist, born in Quthing, Lesotho in 1984, is showing amongst other work his sculpture “Warten auf den 9 Uhr Witz” (tr: Waiting for the 9 o’clock joke), which incorporates the interaction of a collective form of intelligence into the mechanisms and functions of the human body.

 

The gaze of the large figure lying stretched out on the floor is directed forwards, its mouth is open. On the joints and the vital organs of its body can be found vases with cubes made from plexiglass populated by ants. Dislocated from the goings on in the ant colony, the spiritual centre of the figure observes its organicbody. As it is faced with the threat of decay – the individual organs and joints can be removed and sold separately – it tells a joke every twenty minutes. Stallmach opposes the relationship between the body and mind of the figure to the processes and workings of the ants’ collective intelligence.


The artist takes up this parallelism again in his animated film “Hugo and the war fart”. With the help of the individualised ant Hugo, the film shows the collective events and decisions that are made in an anthill. As single units the ants act with limited independence and fulfil their respective tasks purposefully, yet only through the total sum of their movements does a functioning whole arise. The artist contrasts this organic principle with the interplay of cells in the human body. The proceedings and decisions here can also be traced back to materialistic principles. The answer to the question of what authority mental responsibility carries and what value the immaterial idea possesses remains, however, open.


In the animated film “Der Rattenkönig” (tr: The Rat King), Stallmach addresses less the material mechanisms and focuses more on the social system in which mankind is embedded. The gaze of the viewer follows the misfortune of seven plasticene figures. Five rats who have grown together by their tails – a phenomenon known in biology as “rat kings” – embody, as a type of evil omen, the five enemies of the protagonists: misfortune, desperation, adverse circumstances, powerlessness and the disrespectfulness of fellow men. They attach themselves to the character who is surrounded by the most bad luck, and remain until even more ill fortune should befall another. It is not by improving their own lot, but rather by actively causing more harm to others that the figures free themselves from the Rat King.

 

Translated by Richard Neal